Reisebericht Vogalonga 2009

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in Rudern.

Ein Reisebericht von der Vogalonga 2009 (Bilder kommen auch noch)
 

Dieses Mal war alles anders. Es gab Wind. Viel Wind. Und Wellen. Sehr hohe Wellen. Und man musste kämpfen, um das Boot vorwärts zu treiben. Keine Zeit für Rotwein, Käse oder Parmaschinken. Jede kleinste Pause ließ das Boot um viele Meter zurücktreiben.

Einige Originalstimmen:

Bernhard Busley, Seebär, Steuermann der Kurt Huber:

"Das war mindestens Windstärke drei, eher vier. Ein Jollensegler würde bei diesen Bedingungen vom Wasser kommen aber nicht mehr aufs Wasser gehen. Wir haben vom Start zum Ziel exakt drei Stunden gebraucht."

Udo Schilling, Rennruderer, Mannschaft Haubentaucher:

"Also ich hab schon sieben Mal an der Vogalonga teilgenommen, aber so viel Wind hab ich noch nie erlebt!"

Franziska Merkel, Obfrau der Otto Weiss:

"War ich froh, als wir wieder am Tronchetto waren. Wir wären beinahe abgesoffen. Und das Steuer hat uns auch einer kaputtgefahren. Ich hab nur noch ganz vorsichtig steuern können."

 Winfried Albert, Platz vier der Otto Weiss:

"Es hat ein bisschen gespritzt. Aber nass geworden bin ich eigentlich nicht. Bei mir am Platz war auch kaum Wasser im Boot. Die Steuerfrauen waren Spitze!"

Martin Petraschk, Mannschaft Kurt Huber:

"Bei der Einfahrt in Cannaregio, das war echt heikel. Da gab es ziemliche Kreuzwellen. Hast du das Boot nach Steuerbord gekippt, kam Wasser rein, hast du es nach Backbord gekippt, kam auch Wasser rein. Vor uns schwammen etwa 20 Holländer. Die waren mit ihrem Drachenboot gekentert."

Dorothea Fontaine, Obfrau Adolf Dietz:

"Ich bin froh, dass bei uns gleich nach dem Start das Steuer herausgerissen ist. Wir hatten den Canal Grande dann ganz für uns allein als wir zurück nach Tronchetto gerudert sind. Das war wirklich schön."

Markus Steiner, Bootswart MRC:

"Das Steuer ist hin. Das lässt sich nicht mehr reparieren."

Am Anfang war es eigentlich wie immer. Anreise der Teilnehmer. Ein Gläschen Spritz auf dem Campo Santa Margherita. Samstagmorgen: Aufriggern der Boote auf dem Tonchetto-Parkplatz. Hier erste Schwierigkeiten "Wo sind die Skulls der Kurt Huber?". Ein Anruf in Starnberg bringt Gewissheit: "Hängen in der Halle!" Ein Wunder: Vier Paar Skulls werden aufgetrieben. Dann Überfahrt zum Bootslagerplatz in Dorsoduro.

Erstes Stirnrunzeln - verdammt viel Wind. Und viele Wellen. Aber das ist im Canal di Giudecca nichts Ungewöhnliches. Herausheben der Boote. Letzte Anweisungen für das Abendprogramm; Stefan: "Wenn ihr euch verirrt, fragt einfach nach dem Campo San Cassiano!" Abendessen im "Nono Risorto". Einfache und gute venezianische Küche. Früh ins Bett. Morgen liegen 40 Kilometer vor uns!

Am Sonntagmorgen in Richtung Start. Menschen in kurzen blauen Hosen und gekennzeichnet mit einem königsblauen Schrägstreifen eilen federnden Schritts zum Campo San Trovaso, um die Boote zu Wasser zu lassen. Eine Teilnehmerin muss zurückbleiben. Sie hat ihren Rollsitz auf dem Lido vergessen! Los fahren ein Achter mit Lücke sowie zwei Vierer. Am Eingang zum Canal Grande bereits erste Schwierigkeiten. Starker Wind und einströmendes Wasser drücken die Boote immer wieder in den Seitenkanal zurück. Mit souveränen Kommandos "Steuerbord überzieht, halbe Kraft, Stoppen - ich sagte Stoppen!" - reihen wir uns in das Feld der Teilnehmer ein.

Je weiter man aus dem Canal Grande herauskommt, umso mulmiger wird das Gefühl. Der Wind wird immer stärker, die Wellen höher und erste Wasserübernahmen werden verzeichnet. Gibt’s in Venedig eigentlich eine Sturmwarnung?

Um 9 der Startschuss! Das Feld setzt sich in Bewegung. Mückenschwärmen gleich bewegen sich Myriaden von Kajakfahrern neben trägen Gondeln in der Fahrspur. Keine Chance, noch Kontakt zu den anderen Booten der Gruppe zu halten. Salzige Gischtschwaden fegen dem Steuermann ins Gesicht, volle Konzentration ist gefordert.

Plötzlich ein Ruck in der Dietz! Wo ist das Steuer? Kein Steuer mehr da! Verzweiflung steigt auf. Eine Entscheidung muss getroffen werden! Schon nach wenigen Kilometern ist für uns die Vogalonga vorbei. Doch es bleibt keine Zeit zum Überlegen. Der Sturm peitscht. Dort ist ein kleiner Kanal, also erst mal rein mit dem Kahn! "In die Auslage, fertig, los! Backbord überzieht, frei weg!" Im Kanal ist es ruhig. Dann die Frage:

Wo sind wir jetzt eigentlich? Hat jemand einen Stadtplan dabei?" Es kommen uns einzelne Boote entgegen. Da vorne muss also der Markusplatz sein. Mit langsamem Schlag setzen wir uns wieder in Bewegung. Am Ausgang des Kanals stellen wir fest: Der Wind bläst immer noch und: weit gekommen sind wir nicht. Aber der Markusplatz ist in Sicht und die Meute ist weg. Wir gönnen uns was! Der Canal Grande ist unser! Langsam und ganz alleine rudern wir an alten venezianischen Palästen vorbei. Einmalig schön spiegelt sich die Silhouette der Bauten im Wasser. Zurück zum Tronchetto.

Am Tronchetto wird’s noch einmal kitzlig. Der Wind hat zugenommen. Aber eine Gruppe aus Köln hilft uns, den Kahn aus dem Wasser zu hieven. Dann das bange Warten: Schaffen es die Anderen? Hinter einem stinkenden Müllcontainer Schutz suchend starren wir aufs Wasser. Ein blauer Vierer. Die Kurt Huber ist da! Vier Männer mit stolz geschwellter Brust sowie eine Sabine kommen an Land. Dann endlich: Der Achter kommt. Alle Ruderer helfen zusammen, sodass auch die Otto Weiss wieder an Land gebracht wird. Die Chirurgen treffen auch ein. Keine Verluste. Alle Schäfchen wieder da. Eifriges Geschnatter. Rote Backen. Was haben wir heute nicht alles erlebt! Die Boote sind schnell verladen. Dann geht es zurück in die Stadt, die Salzkruste abwaschen und endlich wieder trockene Kleider!

Am Abend wieder ein gesellschaftlicher Höhepunkt. Stefan und Thomas haben einen Geheimtipp: TAVERNA DEL CAMPIELLO REMER ("etwas feiner"). Eine kleinere Gruppe folgt ihnen und erlebt einen wunderschönen Abend. Es gibt Pasta, Fisch und Meeresfrüchte dass einem nur so das Wasser im Mund zusammenläuft. Später gibt es schmachtende Live-Musik. Jetzt muss getanzt werden! Erst nach ein Uhr verlassen wir als letzte Gäste das Lokal. Es regnet leicht. Venedig ist menschenleer.

Durch stille Gassen geht es zurück ins Hotel. Am nächsten Morgen dann eine schweigsame Heimfahrt. Es ist doch spät geworden gestern Abend.

Bei den Anderen muss es wohl auch etwas länger gedauert haben. Am Dienstag waren jedenfalls ziemlich wenige zum Abladen der Boote da.

Alles in allem: Es war eine schöne Reise, 1600 Teilnehmer, Wind mit Böen von bis zu 80 km/h ("Das ist Windstärke 8!"), ca. 50 untergegangene Boote: Wie man hier sagt: Hund sans scho, die Venezianer!

Und wer‘s nicht glaubt, schaut selber nach:

Dieses Jahr waren dabei:

Martin Petraschk, Stanislav Tkachev, Hans-Gotthard Ullrich, Sabine Köhler, Bernhard Busley; Ralf Sievers, Ilona Jäckel, Stefan Strobl, Thomas Linsmeyer, Winfried Albert, Lydia R., Saskia Stahl, Franziska Merkel, Ellen Bischoff; Dieter Zembsch, Hanna von Alvensleben, Dorothea Fontaine, Elvira Sievers und Hansjörg Rembold.

Auch dabei waren ein "Chirurgen-Achter" sowie ein "Chirurgen-Vierer" und die Mannschaft der "Haubentaucher" vom MRSV.

Außerdem waren als Groupies dabei: Ben mit Paula, Thomas, Viktoria, Helga und Daniel.

Winfried Albert meisterte den Bootstransport.

Unser besonderer Dank gilt Reinhard Niejodek für die Hilfe bei der Vorbereitung.

Als Anschauung:

? Ein kleines YouToube-Fimchen

Man beachte die Fahne des Ruderboots im Hintergrund. Stramm in Fahrtrichtung!