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Wenn Münchner Engel rudern ...

von Stefan Raab, Wolfgang C. Goede
in Fahrtenberichte

Das Saar-Abenteuer: Was erleben neun MRCler bei einer Rudertour um die romantische Saarschleife auf einer Barke, Nettogewicht fast eine Tonne? Hitzestaus im Körper und höllischen Lärm, reizvolle Wasserfälle, Bildung satt sowie Weinproben mit Nebenwirkungen, Schleusen mit Hüben von 15 Metern und der grandiosen Akustik einer Kathedrale. Vor allem gewinnen sie eine Ahnung davon, was es auf einer Galeere zu rudern hieß – dem Urruderboot!

 

Die Fahrt begann am Dienstag, dem 16. August 2011 mit einem Paukenschlag: Renate Blodig musste verletzt noch in München aufgeben. Die Verbliebenen, Petra G., Sylke S., Lydia R., unser Fahrtenleiter und Ruderwanderwart Hellmuth Nordwig sowie Ulrich Guhl, Franz Kastner, Reinhard Niejodek und Stefan Raab schoben das Riesengerät am ersten Tag zu siebt durch das Wasser; Wolfgang Goede stieß erst am Abend hinzu.

Wir hatten vier Tage Zeit, die Saar 100 Kilometer von Saarbrücken bis nach Konz zur Mündung in die Mosel zu rudern. Dafür hatte Hellmuth eine Barke vom Saarbrücker Ruderclub Undine ausgewählt. Das ist ein zwei Meter breites, zehn Meter langes und 800 Kilogramm schweres Riemenboot mit acht Sitzen in zwei Reihen. Die Größe und das schiere Gewicht machen es langsam und schwerfällig, fast wie einen Tanker.

Schaulustige halten das Fahrzeug sogar für eine alte Galeere (s. unten!). In der Tat, die schweren und unhandlichen Riemen sind eine Strafe. Um die Hände nicht noch weiter zu strapazieren, verzichtet ein Großteil der Mannschaft bereits am ersten Tag auf das Aufdrehen und rudert mit stehendem Blatt.

Allergrößte Unterstützung bei der Organisation und während der Fahrt erfuhren die Barkenruderer durch ihren Saarbrücker „Doppelagenten“ Ulli, den auch im Starnberger Club wohlbekannten Hans-Gotthard Ullrich. Er versah den Landdienst, war Reiseführer, Unterhalter und Türöffner in einem. Er ließ die Münchner erkennen, wie wertvoll die Pflege von Freundschaften zu auswärtigen Ruderern ist!

 

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Es war ein ungünstiger Zeitpunkt für Ulli. Ihm stand ein kleiner ärztlicher Eingriff bevor. Trotz Magensonde mit Online-Messungen nahm er uns am Dienstag nachmittag am Hauptbahnhof in Saarbrücken gut gelaunt in Empfang und brachte uns mit dem angemieteten Tourbus zur Barke. Die musste dann per Hänger zur Slipanlage befördert werden und dort erst mal aufgeriggert werden. Das ging überraschend schnell, ganz im Gegensatz zu den ersten qualvollen Flusskilometern stromaufwärts zur Undine.

 

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Die lärmende Begleitmusik spielten dabei die Laster, Busse und Autos auf der Stadtautobahn direkt neben der Saar. Auch der erste Eindruck vom Stadtbild Saarbrückens war nicht der beste – Bausünden und urbaner Wildwuchs unmittelbar am Saarufer. Wie schön lag da die Terrasse des Ruderclubs! Das Abendessen dort war nach der Rackerei absolut verdient.

Am Mittwoch standen dann, uff, die ersten 28 Kilometer an, mit dem für – jedenfalls Ingenieure – absoluten Highlight der Tour: die Völklinger Hütte. Ihre Hochöfen sind Weltkulturerbe der UNESCO, und wer sich für Technik interessiert, sollte sie auf seine To-do-Liste setzen. Hier erlebt er, live, die Industriegeschichte Deutschlands.

 

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Zurück von drei Stunden Besichtigung bei sengender Hitze hieß es: Weiterrudern und Schleusen bis zum Kanuclub Saarlouis. Und wer wartet da bereits auf seine schlappen Münchner Schäfchen? – unser Ulli!, um sie im Bus zum Hotel in Saarbrücken zurückzubringen.

Der Donnerstag startet wieder bei Kaiserwetter in Saarlouis. Wolfgang übernimmt den achten Riemen. Tagesziel ist die Saarschleife. Dabei mussten wir zuvor neben der Autobahn noch etliche Kilometer schrubben, bis der Anfang der idyllischen Saarschleife erreicht war.

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Welch Kontrast zum quälenden Straßenlärm boten am Abend, neben dem Bootshaus des Ruderverbands Saarland-Rheinland-Pfalz angetreten, die Alphornbläser des Saarlandes. Sie probten für ihr Jahrestreffen am Wochenende.

 

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Bei der Ankunft hatte sich Sylke erst mal flachlegen müssen, unter Aufsicht von Bord-Ärztin Petra stehend. Die Hitze mit 37 Grad Celsius hatte insbesondere ihr, aber auch allen anderen arg zu schaffen gemacht. Wohl denen, die genug schwitzen konnten!

 

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Glücklicherweise erholte sie sich schnell, konnte aber leider noch nicht beim Ausflug auf die Anhöhe über der Saarschleife, die Cloef, dabei sein.Zum Sonnenuntergang lotste uns Ulli auf den Aussichtspunkt, um mit Sekt auf unsere Fahrt anzustoßen, dort, wo einst Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine ihre unzerbrüchliche Männerfreundschaft bekundet hatten.

 

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Nach einer ruhigen Nacht in einem äußerst komfortablen Bootshaus mit Hotelflair stiegen wir am Freitag in unsere Barke und genossen die ersten sieben Kilometer. Sie führten durch die berühmte Saarschleife zur Schleuse in Mettlach.

 

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Mit einer Hubhöhe von 15 Metern ist sie die höchste der sieben Saarstaustufen, das größte Bauwerk dieser Art in Deutschland und, nebenbei, ein veritabler Energieproduzent.

Danach legten wir an und besichtigten Villeroy & Boch. Die Ausstellung ist, über die Jahrhunderte hinweg, eine imposante Leistungsschau der Porzellanindustrie, ungemein abwechslungsreich, ein Zeugnis der Design-Kunst.

 

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Während der restlichen 18 Kilometer zog der alles rot einfärbende Kaolinabbau an uns vorbei. Dann tauchten, im angenehmen Wechsel, fruchtig grüne Weinberge auf, die uns begleiteten bis Saarburg, einem malerischen Städtchen mit Burg und Wasserfall mitten im Ortszentrum. Die Wassermassen stürzen eine 25 Meter hohe Felswand hinunter und treiben, wie vor Jahrhunderten, hölzerne Wasserräder.

Auch zum Ausklang dieses Rudertages hatte sich der unermüdliche Ulli etwas Besonderes einfallen lassen. Wir waren eingeladen zur Weinprobe in Konz-Oberemmel bei einer alten Freundin und Winzergattin. Den ersten Schluck gab's im Wingert, einem Weinberg auf einer schönen Anhöhe mit einem geduldig erklärenden Winzer, der wie viele andere im Ort den Hauptbetrieb aufgibt, sozusagen als Globalisierungsopfer: Die Konkurrenz aus Chile, Südafrika und Australien ist übermächtig.

 

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Zum Vespern und Weinverkosten wurden wir in die Stube geladen – mehr wird an dieser Stelle nicht verraten ,-)

 

 

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Strategisch klug hatten Hellmuth und Ulli die Weinprobe so gelegt, dass wir am letzten Tag unserer Barkentour auf der Saar nur noch zehn Kilometer bis zur Moselmündung in Konz rudern mussten, mit dem ortskundigen Ulli an den Steuerleinen. Noch am Samstag nachmittag reisten einige Teilnehmer der Tour nach München zurück. Dabei brachten sie die Barke zur Undine zurück.

 

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Im gastlichen Ruderclub wurden die Saar-Bezwinger mit Freibier empfangen.

 

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Der Rest der Crew fuhr nach Trier weiter und begab sich in der Gluthitze auf eine „Schattenwanderung“ auf den Spuren der Römer. Lauschig war es auch beim letzten Abendessen im Garten vom Weinhaus in Trier und g'schmeckt hat's. Am Sonntag zur Abreise war es dann nicht nur kühl, sondern sogar regnerisch. Wenn Münchner Engel reisen …

Postscriptum: Wiederholt wurde die Barke von Spaziergängern am Saarufer Galeere genannt. Tatsächlich hat sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den Ruder-Galeeren der Römer, die auf der Donau Patrouille fuhren, um die rauflustigen Germanen abzuschrecken. Eines dieser Wasserfahrzeuge wurde von Geschichtsstudenten in Regensburg nachgebaut. Als Vorlage dienten Ausgrabungen. Auf der „Regina“ kann man an den Rudern den Alltag der Legionäre nacherleben.

Sie steht für Fahrten zur Verfügung, mehr unter http://bit.ly/galeere. Wäre das, zu den antiken Anfängen der Ruderei und eine Praxiseinheit darin, ein lohnendes Tagesausflugsziel für den MRC? O-Ton Wanderruderwart Nordwig: „Die Exkursion zur Galeere, die machen wir! Trommelt schon mal die Sklaven zusammen. Ich begebe mich freiwillig unters Joch.“