Roseninsel 2019 - Immer irgendwas halt

von Barbara Thuillier
in Rudern.

Neun Frauen, Otto Weiss und die Suche nach dem Weg zur Roseninselregatta.
Barbara Thuillier gibt Einblick in den Trainingsalltag.

Die Rollbahn sticht mir in die Wade, der Rücken nervt, ich sitze auf der Drei. Es ist einer dieser Ruderabende, wie aus dem Bilderbuch. Lauwarm, windstill, und der See ruft zum Bad nach dem Rudern. NACH dem Rudern. Wir geben uns Mühe, acht Frauen in der Otto Weiss - wer war eigentlich Otto Weiss? Egal. Ziehen, rollen, setzen - rudern was das Zeug hält. Da beschleicht mich ungut das Gefühl, das wird nichts. Das ist kein Team, da ist nichts Synchrones, dieser verdammte Sport ist einfach zu schwer. Acht Menschen, die unter Anstrengung möglichst das Gleiche tun, während einer sie anbrüllt. Irgendwie absurd - Konzentration, nicht Auseinanderfallen… das wird nichts. In mir schleicht eine leichte Welle der Frustration hoch. Wir sind auf dem Rückweg von der Roseninsel, schauen in ein atemberaubendes Alpenpanorama und geben Gas. Pyramide, 30 Dicke und vom Seeufer zieht der Duft von gegrillten Würstchen rüber. Es ist ein Traum, aber wer kam auf diese bescheuerte Regattaidee?


Also seien wir mal ganz ehrlich. Es klang doch nach einer super Idee: wir organisieren unseren eigenen Gig-Frauen-Achter und starten zur Roseninselregatta. Der Sommer war noch jung, der Herbst eine Ewigkeit hin. Und Konstanze und ich ziemlich entschlossen. Und schließlich gab es ja nur ein Ziel: Mit 8 Frauen, 12 km unter einer Stunde. Kein Spaziergang aber schon machbar. Dachte ich. Wo soll da das Problem sein. Naiv. Jeden Dienstag acht Frauen - da sind ja noch Arbeit, Kinder, Termine, Verpflichtungen, Dienstreisen… Freunde (Prioritäten???). Immer irgendwas halt, wie das Leben so ist.
Und da ist noch was: zu frühes Setzen, zu schnelles Rollen, zu tiefes Ziehen, zu spätes Aufdrehen... Immer irgendwas halt, verdammt.
Und wenn wirs dann endlich hinter uns haben, lässt sich der Otto wieder raustragen und man zerrt sich schier die gerade gestärkten Muskeln - gesegnet seien hier die Kommandos, denn sonst ist an ein nächstes Training nicht mal zu denken.

Sechs Wochen Sommerferien später.
Irgendwie scheint es wohl nicht nur mir so, als reiche das alles so nicht aus. Konstanze sucht Trainer - Horst, Ennes, Sebastian Sommer. Euch von Herzen Dank. Aber der Weg bleibt steinig. Langsam formiert sich zumindest personell das, was mal ein Team werden soll. Und wir trainieren weiter, immer früher am Abend, denn es wird schnell dunkel. 18.00, 17.30, 17.00 Uhr. Dienstags, manchmal Mittwochs, Samstags Morgens und Sonntag am Abend. Die Regatta-Anmeldung rückt näher. Es wird ernst.
Längst entschuldige ich mich nur noch bei der Arbeit mit einem „Bald ist es vorbei. Versprochen. Dann kommt die Regatta und dann wird es eh dunkel und man kann nicht mehr am Abend rudern.“ Als ob jemand nach der Regatta das Licht ausschaltet. Aber was soll ich machen. Es hilft ja nichts, da müssen wir irgendwie alle durch.
Langsam spüre ich diese tiefe Entschlossenheit, bei mir, bei den anderen. Wenigstens das. Wir ziehen das jetzt durch.
Noch zwei Wochen. Es ist Sonntag Abend. Sebastian hat wohl (na klar - seufz) begriffen, dass da noch Training fehlt, hat sich erbarmt. Ein weiteres Mal sitzt er im Boot, sucht nach der richtigen Schlagzahl für 12 km, korrigiert, ermahnt. „Nur ein gemeinsames Klicken. Nur ein Geräusch: Klick, Klack.“ Wir rudern voller Kraft, Schlagzahl runter, lange Streckenschläge, langsam auf der Rolle. Und es klappt. ES KLAPPT. Völlig unerwartet überkommt mich dieses kurze Glücksgefühl. Und für eine Sekunde denke ich, es gibt nichts schöneres, als diesen Moment. Das ist es. KONZENTRATION. Keine Zeit für Gefühle, ich weiss, das lenkt ab. Was für ein Rudermoment!
Aber noch ist es nicht geschafft; höchstens eine Ahnung dessen, was mal werden könnte. Und die Herausforderungen sind divers. Neue Steuerfrau, späte Anreisen, bleiben alle gesund? Was für ein Kampf, welche eine Entschlossenheit. Sabine Korger steuert uns. So ein Glück! Keiner wird krank, alle sind pünktlich da.


Es ist der entscheidende Samstag. Der Regen verzieht sich, doch dafür wird’s wellig. Windig. Sturmwarnung. Wo ist dieses blöde Wiesnwetter, wenn man es mal braucht. Es wuselt auf dem Bootsplatz, eifrige Geschäftigkeit. Unser Boot kommt mit kaputter Dolle vom Rennen. Muss repariert werden und es geht los. Gegen Wellen und Wind zur Startlinie. Boot ausrichten, streichen, warten. Es ist kühl. Und es wird aufregend. Immer mehr Boote formieren sich an der Startlinie. Neben uns zwei weitere Boote des MRC. Nochmal warten, aber was solls. Gibt es was Schöneres, als den Anblick all dieser Achter neben uns? Dafür allein hat es sich doch gelohnt! Die Stimmung ist aufgeräumt. Wir haben trainiert, wir sind so weit. Und LOS!
Im Getümmel der Boote verhaken sich unser Skulls mit den Riemen des unachtsamen Nachbarbootes. Wir werden ausgebremst, müssen stoppen. Schade, es war ein
perfekter Start. Aber weiter. Uns hält nichts auf. Entschlossen rudern wir durch die Wellen, sehen nichts als die Vorderfrau und das spritzende Wasser, hören nur die Stimme von Sabine. Ruhig auf der RRRolle - die einzige Verortung ist ihr rollendes bayerisches R. Was zählt ist nur der Moment. Immer weiter. Kraft aus den Beinen, Endzug, flach ziehen… fast vergesse ich das Atmen. Erst 4 Kilometer, 6 Kilometer, Wende, Steuerbord überzieht. „Ihr könnt das“ ruft Sabine. Zwanzig Dicke und AUF GEHT’S PACK MA’S Richtung Ziel. Plötzlich ist es windstill, ich höre ein erleichtertes Lachen von hinten. Wer lacht kann noch, denkt sich der Wind. Und es wird Ernst. Kräftiger Gegenwind bläst uns entgegen, Wellen von allen Seiten, es schwappt ins Boot. Wir ziehen weiter. Und mit Kraft und aus den Beinen und… nimmt das je ein Ende? Sabine gibt uns nicht auf und wir kämpfen weiter. Kein Skull bleibt hängen, niemand zieht einen Krebs. Wir sind gut. Wir sind eine Mannschaft, wir ziehen es durch.
Die Glocke erklingt. Wir haben es geschafft. Der Wahnsinn. Wir sind glücklich. Und stolz auf uns. Dass wir das so hinbekommen, hätte ich nie gedacht. Einfach nur irre. 1 Stunde und 4 Minuten - egal? Wir sind zufrieden bei dem Wetter. Und: wir sind ein Team, eine Mannschaft. Wer hätte das gedacht.


Die Regatta ist vorbei. Es ist Sonntag Abend.
Das Glück von gestern weicht langsam einer schleichenden Leere. Kein Training heute Abend, eine freie Woche liegt vor mir. Kein Rudern. Mit aufkommender Schwermut schau
ich die vielen bewegenden Fotos von gestern an. Da blinkt eine Mail von Konstanze auf: Nach der Regatta ist vor der Regatta. Begierig öffne ich sie.
Unser Ziel: ein Rennachter. Erster Schritt ist das Skiff-Wochenende, Samstagstraining, Winterrudern… mir entfährt ein tiefer Seufzer der Erleichterung. Denn so ein Leben ohne Rudertraining muss ja zum Glück nun wirklich nicht sein. Erst Recht jetzt nicht, wo wir eine echte Mannschaft sind.

Danke an Euch alle, Mädels! Und in unser aller Namen an die vielen Frauen - und Nick - , die mit uns trainiert haben. Ohne Euch hätten wir fast nie zu Acht rudern können. Und an Horst, Ennes und Sebastian, für Eure Erfahrung, Zeit und Geduld mit uns. Und natürlich an Hansjörg, ohne dessen unermüdlichen Einsatz für die Samstagsgruppe an Regattarudern gar nicht zu denken wäre.
Und wer denkt, jetzt reicht es aber mit dem Danken, weiss einfach noch nicht, wie viele Ruderer einen prägen, bis man auch nur am heutigen Regattatag ankommen kann.

Hinten vlnr: Vera Bub, Barbara Thuillier, Andrea Rickert, Theda Sebold, Kristin Teuber, Marion Kratzmair, Steuerfrau Sabine Korger.
Vorne: Konstanze Steinheimer-Breitkreuz, Karin Tonn.