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Wir waren beim Head of the Charles River 2019

von Frank Salzmann
in Rudern.

„Mein Name ist George. Ich bin jetzt Mitglied im MRC, früher war ich mal beim Cambridge Boat Club, und ich möchte Euch gerne meine Heimatregatta vorstellen.“

Mit diesen Worten, die George im Rahmen unseres Saison Vor- und Nachbereitungsessens im Februar 2019 an uns richtete, begann wohl unser Abenteuer.

Viele hatten schon von dieser Regatta gehört, einige von uns hatten live oder per YouTube zugesehen, aber gerudert hatte da bisher nur George in beständiger Regelmäßigkeit. Wir lernten jetzt von 13.000 teilnehmenden Ruderern aus der gesamten Welt, über 1.500 freiwilligen Helfern, über 300.000 Zuschauern entlang der 3 Meilen langen Strecke. Und von einem sehr beeindruckenden wettkampforientierten Starterfeld. Da wollten wir hin.

Jetzt galt es einen Startplatz zu ergattern und natürlich Mannschaft und Material zu organisieren. Schon bei der Bewerbung um einen Startplatz brauchte es einen gut klingenden Lebenslauf der Mannschaft. Mit unserer, aus ehemals Ost- und Westdeutschland, der ehemaligen Sowjetunion und den Niederlanden stammenden Crew gelang es uns, das Regattakomitee zu überzeugen, es doch einmal mit uns zu versuchen. Es wurde ernst, wir brauchten ein Boot. Nach unzähligen Telefonaten, die George für uns mit lokalen Universitäten, auswärtigen Clubs oder auch Bootswerften, die Leihboote anboten, führte, gelang wieder ein Coup. Die Boston University nahm uns auf.

Flüge und Unterkunft in Streckennähe wurden gebucht und zahlreiche Rudereinheiten trainiert, bis schließlich 10 Ruderer/Steuermann und 2 Fans am Mittwoch vor der Regatta heil in Boston eintrafen.

Mit dabei waren: Stefan Hamels, Boris Mendelevitch, Wiek Crasborn, Peter Vermeij, Dirk Spiekermann, Bernd Forssmann, Guido Gilbert, Frank Salzmann und Abel Archundia (der für den vor Ort erkrankten Stefan Rembold ruderte)

Dann Donnerstagmorgen der erste Blick aufs Material. Besser konnte es gar nicht laufen. Ein Bootshaus, direkt an der Startlinie, mit perfektem Material nur für uns, Betreuung durch die lokalen Trainer. Nicht zu vergessen eigene Duschen, unglaublich viele Ergometer zum Überwinden des Jetlags und Erfahren des lokalen Flairs in einem der wirklich beeindruckenden Clubs am Charles River in dieser beeindruckenden Universitätsstadt. We were really impressed! Ein Sturm am Donnerstag verhinderte zwar ein Training auf dem Wasser, aber es gab ja unendlich viele Ergometer und einen Blick auf die Stadt und die Strecke. Das entschädigte.

Freitag ruderten wir und verstanden sofort, warum uns die HOCR-Erfahrenen gewarnt hatten: Diese Regatta sei extrem schwierig zu rudern. Kaum Startabstände, viele Überholvorgänge, enge Kurven und mittendrin viele knappe Brückendurchfahrten. Aber wir brachten das Boot heil durch die Strecke und zurück ins Bootshaus.

Die Nacht war von Anspannung geprägt, Bernd hatte den optimalen Kurs und möglicherweise notwendige Manöver hundertfach durchgespielt, die Steuerbordruderer waren wegen der langen Kurven über Backbord nervös, auch für die Backbordruderer gab es lange Steuerbordkurven, es war also für alle etwas Überziehen vorgesehen, dann gefolgt von nicht nachlassendem, ohnehin starkem Rudern im Streckenschlag. 19 Minuten voller Anstrengung standen uns bevor, Hindernisse, Überholmanöver, aber auch eine beeindruckende Kulisse.

Dann ging es los, Anfahrt zum Clubhaus, warm rudern, Rennbesprechung, Boot ins Wasser, ein paar Fotos machen, die Wolkenkratzer ausblenden, an die kommenden 550-600 Schläge denken. Rennen 7, Men’s Master Eights (50+), Startzeit 9:47, Startnummer 32 von 41 Teilnehmern in diesem Rennen. Es wurde ernst. Die Coxbox fiel aus, also war stille Post angesagt. Das trug nicht zur Gelassenheit bei. Aber dann wurden wir von den Helfern perfekt in 2 Reihen nach gerader / ungerader Startnummer eingereiht, sehr klar langsam gen Start geleitet, in eine Linie einsortiert, dann kam die rote, die gelbe, die grüne Flagge und durch riesige Lautsprecher wurden wir in 10 Sekundenabständen auf die Strecke geschickt. Alle waren im Tunnel.

Das Boot lief wie geschmiert, nach der ersten Brücke - auf dem wohl einzig fast geraden Streckenabschnitt - hatten wir das Boot vor uns eingeholt und bald überholt. Die nachfolgenden blockierten sich gegenseitig etwas und wir setzten uns ab. Von den Brücken und Ufern wurde uns zugejubelt, unsere Fans und Georges Töchter hielten eine MRC-Flagge hoch, die Kommentatoren befeuerten die Stimmung. Und auf einmal war es vorbei. Nach 18:26 Minuten überfuhren wir die Ziellinie, waren 33. in einem mit ernsthaften Gegnern besetzten Feld geworden. Nie war das Boot besser gelaufen, nie hatten wir eine bessere Linie gesteuert, wir waren sehr zufrieden.

Zurück, vorbei an weiterhin jubelnden Menschen, umziehen und wieder an die Strecke. Die Schlangen an den Essenständen waren viel länger als die an den Bierständen. Also erinnerten wir uns daran, dass Bier ja ein Grundnahrungsmittel ist, feuerten andere Mannschaften und unsere Damen, Jutta Deuschl und Lisa Roth, an, genossen die Stimmung und das prächtige Indian Summer-Wetter Neuenglands. Das Dinner mit Wasserblick am Abend hatten wir uns verdient.

Der Sonntag lockte wieder mit tollem Wetter. Sightseeing, Shopping und Rudern wurde kombiniert, wir feuerten unser Jungs, Franz Tiefenbacher und Jakob Rabl an, für einige gab es noch den zu erwartenden Lobster, andere hatten sich schon auf dem Heimweg gemacht.

Boston war eine Reise wert, wir fühlten uns wie auf einem Schulausflug und konnten unglaublich viel rudern und übers Rudern sprechen. Was will man mehr. Wir sind gespannt, welchen Traum wir uns als nächstes erfüllen. Für die Daheimgeblieben und da Stefan krank wurde, müssen wir auf jeden Fall nochmal auf dem Charles River rudern.

Danke dir, George, für deine Inspiration und tatkräftige Hilfe!
Bernd, Stefan, Frank, Peter, Guido, Dirk, Boris, Wiek, Abel, Stefan