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OSH Reloaded: Verführung zum Besuch eines bedrohten Ruderparadieses

von Wolfgang Goede

Vielen Dank für die zahlreichen Rückmeldungen auf meinen Beitrag „Regattastrecke zuschütten?“ Die Reaktionen streuten von: „Da müssen wir was machen!“, weil der Standort OSH für den Rudersport in München, Bayern und in der Welt unverzichtbar ist, bis zur Frage: „Wieviele Anti-Depressiva muss ich denn schlucken, um die Tristesse zu ertragen?“. Das ist schade, weist dies doch darauf hin, dass die Regattastrecke bei MRC-Mitgliedern weitgehend unbekannt ist. Hier ein paar Farbtupfer.

Starnberg bleibt natürlich das Ruderparadies Nummer eins. Doch der Landkreis München bietet an seiner Nordgrenze ein Bild beeindruckender landschaftlicher Anmut mit erhabener Ruhe. Hier kommen alle auf ihre Kosten, die dem alltäglichen Hamsterrad entfliehen wollen. Neben dem EINMALIGEN WOHLFÜHL- UND ERHOLUNGSFAKTOR bietet die Regattastrecke, rein sportlich gesehen, ideale Ruderbedingungen, BEI JEDEM WETTER. Eine Sturmwarnung gibt es nicht, wenn es über und unter einem turbulent werden sollte, ist man schnell wieder an Land.

„Auf zwei Kilometern Länge immer nur hin und her rudern, wie blöd!“, mockiert sich der Eine oder Andere, ein Einwand, der natürlich auch für den beliebten Roseninsel-Toern in gewisser Weise zutrifft. Dafür ist das Himmels- und Wolkendrama über der Regattastrecke gewaltiger als über dem See, NATUR PUR, weil der Horizont wegen des fehlenden Alpenriegels viel weiter ist. Nur die Toiletten, na ja, denen täte eine Sanierung gut, womit wir beim Thema wären.

Ich wohne seit 20 Jahren im Münchner Oly-Dorf, weshalb ich mich dem einmaligen Olympia-Ensemble in besonderer Weise verbunden fühle. Alle Wohnungen sind in den letzten 20 Jahren saniert worden, zum Teil nach langen Konflikten mit den Behörden und gerichtlichen Auseinandersetzungen sowie, ganz wichtig, unter großer Beteiligung der Bewohner. Die Reparaturen der brückenartigen Gehwege wurden gerade erst im letzten Jahr abgeschlossen. Unterdessen wurde das benachbarte Studentendorf vollständig abgerissen und neu aufgebaut, der Zentralen Hochschulsportanlage ZHS droht Selbiges. Was heißt: Nach 40 Jahren ist der olympische Stahlbeton so mürbe, dass meist nur noch die Radikalkur hilft.

Der Zustand von OSH ist schwer zu beurteilen, dürfte aber in diesem Szenarium kaum eine Ausnahme machen. Sollten infolge weiteren Verfalls Sicherheitsrisiken auftreten, etwa ein Betonkörper sich lockern, wäre mit einer Sperrung der Anlage zu rechnen. Das Schicksal der Anlage könnte dann schnell besiegelt sein. Für die Landeshauptstadt München ist sie ein ungeliebtes Kind: zu entlegen, zu singulär, zu wenig los. Auch der Freistaat Bayern will damit nichts mehr zu tun haben. Anfragen der Freien Wähler bleiben seit Jahren unbeantwortet.

Immerhin gäbe es hier in der Politik eine kleine kritische Masse, vor allem eine, die die Regattastrecke erhalten möchte. Auch der Bayerische Ruderverband ist an dem Thema dran, wie unser Vorsitzender, Eler von Bockelmann, auf der letzten Jahresversammlung zu berichten wusste: Der BRV will eine hauptamtliche Trainerstelle schaffen, um die Bedeutung und Notwendigkeit der Strecke zu dokumentieren.

Ob das alles reicht, wenn Spitz auf Knopf steht? Der jahrelange Kampf in Münchens Olympiadorf um die Sanierung lehrt: dass Bewohner und Betroffene, also auch die Rudererinnen und Ruderer der einzelnen Vereine, alle miteinander und kraftvoll an einem Strang zerren müssen, damit das Anliegen auf die Schreibtische der politischen Entscheider gelangt. Deshalb auch der kleine Werbeblock für die Regattastrecke: Fahrt doch mal (wieder) raus und lasst euch von ihrem Charme bezirzen! Nur dieser Enthusiasmus wird die Stimme der Ruderer stärken und die Verhandlungsmacht der Verbände gegenüber der Stadt um eine OSH-Zukunft vergrößern.