Drucken

In Memoriam: Günther Nemecek

von Hallmann, Ulf

Der MRC 1880 trauert um sein langjähriges Mitglied Günther Nemecek. Anlässlich einer Gedenkveranstaltung am 22.06.2019 in Starnberg fand Sportvorstand Tilman Probst treffende Worte tiefen Mitgefühls. 

 

Erste Begegnung

guenther tilmanWenn man in all den Jahren als Neumitglied zum MRC kam, so wie ich im Januar 2012, hat es meistens nicht lange gedauert, und man ist dem Günther begegnet.Wir haben uns an einem Samstagnachmittag in der Umkleidekabine getroffen. Wirwaren beide alleine, ich hatte gerade nach dem Training geduscht, er zog sich um für seinen allgemeinen Rudertermin, den er über lange Jahre immer samstags um 14.00h angeboten hatte.

Wir begrüßten uns und ich stellte mich vor und erzählte, dass ich das Rudern in Mannheim gelernt hatte. Er schaute mich mit seinen strahlend blauen Augen an, die für einen Moment aufblitzten. Mannheim sagte er, da habe ich in den 1960er Jahren auf der berühmten Oberrheinischen Regatta mit unserem MRC-Vierer einige Rennen gewonnen.

Obwohl ich damals noch nicht wusste, welche wichtige Figur der Günther für den MRC, und für die gesamte Münchener Ruderszene war, hatte ich vom ersten Moment an großen Respekt. 

Die Münchener Ruderwelt:

Wie so vieles in München wurde mit der Olympiabewerbung für die Sommerspiele 1972 auch die traditionelle Ruderwelt auf den Kopf gestellt. Mit der Olympia-Regattastrecke in Oberschleißheim ergaben sich neue phantastische Möglichkeiten für den Rudersport, der bis dahinausschließlich auf dem Starnberger See, vornehmlich durch den MRC und den MRSV ausgeübt wurde.

Günther gehörte zwar nicht zu den  Gründungsmitgliedern der RGM, aber er war ziemlich von Anfang an dabei, den Standort Oberschleißheim zum zweiten Standbein für die Münchener Ruderszene zu entwickeln. Über Jahrzehnte hat er im Wechsel sowohl beim MRC, als auch bei der RGM sowie im Regattaverein in verantwortlichen Positionen mitgewirkt und vieles bewegt. Das Ideal des Ehrenamtlichen, der Dienst für den Verein, für den geliebten Rudersport, das lebte er bis zuletzt in vorbildlicher Art und Weise. 

Auf der einen Seite blieb er immer dem Rennsport verbunden, auch wenn ihn selber orthopädische Probleme am Knie plagten und daran hindertenmit den Kameraden ins Boot zu steigen, so hatte er ein Concept2 Ergo in seiner kleinen Wohnung stehen. Er berichtete mir immer welche Werte er auf dem Ergo noch in der Lage war zu ziehen.Sein großes Interesse galt bis zuletzt unserer Trainingsmannschaft und ihren Erfolgen. Er kannte alle beim Namen und informierte sich regelmäßig online über die Regattaerfolge des MRC. Mit großer Akribie konnte er Ergebnislisten studieren und Rennzeiten und Platzierungen vergleichen. Es konnte schon passieren, dass er mich z.B. einem Tag nach dem Inn-River-Racein Passau fragte, warum unser Mastersachter das Rennen gegen die Wiener LIA diesmal nicht gewinnen konnte. 

Auf der anderen Seite war seine große Leidenschaft, die Schönheit unseres Sports an andere weiter zu geben. Er war bis zuletzt mit großem Engagement in der Ausbildung der Erwachsenen Anfänger dabei.Sein strenges Auge verzieh keine Ungenauigkeit, nicht beim Durchzug, nicht beim Ausheben und Vorrollen und erst recht nicht beim Wasserfassen. Jeder neue Ausbildungskurs war für ihn ein neues Projekt, oft berichtete er mir von einzelnen Teilnehmern, an denen er noch viel Arbeit zu verrichten hätte, bis sie nach seiner Vorstellung das Rudern einigermaßen beherrschten.Unzählige unserer Mitglieder haben so bei ihm das Rudern gelernt.

Spuren in der Seele

Sein Auftreten war von großer Gelassenheit. Er war ein alter Fahrensmann, der so viel erlebt hatte. Der in seiner aktiven Zeit als Jungmann, Elite- und Masterruderer auf den Regattaplätzen in Deutschland und Europa zu Hause war.Diese Jahre, die geprägt waren durch harte Trainingsarbeit, unbändige Freude über errungene Siege oder tiefe Trauer und Enttäuschung über schwere Niederlagen hinterließen Spuren in seiner Seele. Die Verbindung zum Rudersport, zum Starnberger See und zum Club wurde zu einem unzerstörbaren Band. 

Für die Spuren in seiner Seele aus dieser Zeit als Rennruderer des MRC, gibt es keine Verjährung. Wer sich die Zeit nahm und ihm zuhörte, der merkte wie frisch und präsent diese Eindrücke nach all den Jahren noch bei ihm waren.

Besonders berührt hat mich immer wieder seine Erzählung von den Siegen mit dem Jungmann-Viererdes MRC bei der internationalen Oberrheinischen Ruderregatta in Mannheim. Er hat mir diese Geschichte oft erzählt. Ich habe immer wieder gerne zugehört, seine Erinnerung, seine Emotionalität hathier in mir etwas zum Klingen gebracht

Dennfür mich alsMannheimer war die internationale OberheinischeRegatta eine überragende Veranstaltung.

Als Jugendlicher saß ich den ganzen Regattatag entweder auf der Kaimauer oder im offenen Güterwaggon des berühmten Regattazuges, der jedes Rennen begleitete und habe meinen Idolen zugeschaut. Ich standam Siegersteg und hörte die berühmte Fanfare aus Händels Feuerwerksmusik, die jedes Mal für die Sieger erklang.Später durfte ich dann selbstam Steganlegen und die Fanfareerklang für unseren Achter.

Also wusste ich sofort, was das Leuchten in Günthers Augen zu bedeuten hatte, wenn er mir von seinen Siegen iMannheim erzählte.Mir war klar, was diese Erlebnisse, diese Erfolge für sein Leben bedeutet haben müssenEs war sicher so, dass seit dieser Zeit das Hören dieser Melodie aus Händels Feuerwerksmusik ihm einen kleinen Schauer der Erinnerung über den Rücken gejagt hat.

„Sic transit Gloria Mundi“ So vergeht der Ruhm der Welt.

Wenn ich heute in unserer jugendlichen Trainingsmannschaft nachfrage: Kennt Ihr Peter Michael Kolbe?Wisst Ihr wer 1972 im Bullen-Vierer vom Bodensee saß?Wer ist Johann Färber? Ernte ich nur ein Schulterzucken.

Wenn also selbst Olympiasiege und Weltmeistertitel aus der vorhergehenden Generation aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindenwie kann man da erwarten, dass die Leistungen und Erfolge von verdienten Ruderern oder Ruderinnen aus unserem Club präsent bleiben?Ich bin der Meinung, das es funktionieren kann. Wir sollten nur wieder dahin kommen, zuzuhören, was von den Älteren und Erfahrenen erzählt wird. Wir sollten lernen, wieder ein wenig enger zusammen zu rücken, aufeinander zuzugehen und uns dabei angewöhnen nachzufragen. Washast Du erlebt, was ist Dir wiederfahren?

Günther hat es uns vorgelebt. Seine Traumpfade der Erinnerungliegen hier auf unserem Clubgelände, sie führen vom Bootssteg am Westufer entlang, an der Knorrhütte vorbei zur Roseninsel, oder am Ostufer entlang über Berg und Leonie zur Seeburg.

Auf diesen Pfaden bewegte er sich mit traumwandlerischer Sicherheit. Er erzählte dabei von alten Zeiten. Er verknüpfte dabei sein sportliches Erbe, seine Erlebnisse mit den Schicksalen derer, die Ohren hatten ihm zuzuhören.Seine Charakterstärke, seine Liebe zu unserem Sport, sein unermüdlicher Einsatz für den Rudersport  sind vorbildlich. Sein Vermächtnis an uns heißt: Nicht nachlassen, die Traumpfade unserer Vorfahren und Ahnen weiter zu begehen, nicht aufhören von den Erinnerungen zu erzählen! Denn auch wenn die Jungen berauscht vom Leben und vom hier und jetzt nicht so schnell verstehen, irgendwann beginnt die Saat aufzugehen und das Verständnis wird da sein für das gemeinsame Erbe.

Lieber Günther, wir werden Dich immer in liebendem und ehrendem Gedächtnis behalten. Unsere Gedanken sind bei Deiner Familie, Deinen Verwandten und all Deinen Freunden, die unendlich traurig sind über den großen Verlust. 

Dein Leben war der Rudersport. 
Du hast Großes erreicht.

Wenn Du jetzt am Ufer des Styx stehst, dem Fluss, der das Reich der Lebenden vom Reich der Toten trennt, wird sich Charon, der Fährmann, mit seinem Boot nähern, um Dich hinüberzubringen.Wie wir Dich alle kennen, wirst Du es nicht unterlassen, dem guten Charon darauf aufmerksam zu machen, dass er die Blätter nicht zu tief eintauchen und vor dem Wasserfassen nicht die Innenhebel ins Boot drücken soll.Wir sind uns ganz sicher, Günther, er wird Dich verstehen!

Lebe wohl, lieber Günther

 

P.S.guenther schlucki

Wie die meisten von Euch wissen, war Günthers Spitzname „Schlucki“. Ich selbst, der ich erst später dazugekommen bin, fand diesen Spitznamen immer ein wenig despektierlich und konnte mich nicht durchringen, ihn zu benutzen. Bis ich darüber aufgeklärt wurde, dass „Schlucki“ der Name einer Limonade war, die von den Ruderern des MRC gerne getrunken wurde. 

Wir haben uns ein wenig angestrengt, nachrecherchiert und tatsächlich sind wir fündig geworden: „Schlucki“ gibt es noch,wir haben die Originallimonade im Frankenlandgefunden.Was liegt also näher, als auf Günther mit einer Flasche „Schlucki“ anzustoßen.

Tilman Probst

Für den Vorstand des Münchener Ruder-Club von 1880 e.V.

Starnberg, 22.06.2019