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Main im Mai - einfach magisch

von Julia Devlin
in Rudern.

Fahrtenberichte zu schreiben ist immer eine gewisse Herausforderung, denn ihre Erzählstruktur ist dem Gegenstand geschuldet recht einheitlich. Zwischen dem initialen "wir riggerten ab, wir riggerten auf" und dem abschließenden "wir riggerten ab, wir riggerten auf" liegen meist eine Hinfahrt zu einem Zielgewässer und mehrere Tagesetappen auf demselben. Da einen Spannungsbogen aufzubauen ist gar nicht einfach.

Nicht zu Unrecht gilt in den Medien "bad news are good news". So schwärmen zwar viele Ruderer noch immer von ihren wunderbaren Fahrten, aber im Gedächtnis geblieben sind vor allem die, wo irgend etwas abenteuerlich schief ging. "Wisst Ihr noch, auf den masurischen Seen, als wir im Schilfgürtel steckenblieben?" - "...wie wir in der Schleuse auf der Lahn den Kanadier versenkten?" - das ist der Stoff, aus dem Legenden sind.

Die Wanderruderfahrt "Main im Mai" war viel zu perfekt, als das man etwas Dramatisches über sie schreiben könnte. Noch schwieriger ist es, etwas von der Magie zu vermitteln, die sich auf einer solchen Tour entfalten kann. Der Moment, in dem acht big blades synchron ins Wasser tauchen und mit einem "swish" ausheben, das Wasser am Bug zu singen beginnt und die Schwerkraft überwunden scheint. Das überraschende Erlebnis, festzustellen, dass man doch noch so flexibel ist, es mit zwanzig Erwachsenen auf relativ engem Raum vier Tage auszuhalten. Die Freude an der üppigen Natur, die dank der vielen Regentage viel saftiger ist als in den Jahren zuvor. Die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft anderer Ruderclubs zu erfahren: Nicht nur, dass wir schöne Boote leihen durften, sie wurden sogar noch von Ludwig Martin Büttner vom Miltenberger Ruderclub für uns durch die Gegend gefahren, samt Wasserflaschen und unserem Gepäck.

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Ludwig Martin verhandelte auch mit den Schleusenwärtern, wann wir in die Schleusen durften. Vor allem aber sorgte er dafür, dass unser Alkoholpegel auch während der Fahrt nicht übermäßig sank, packte in der Pause drei Flaschen gut gekühlten trockenen Silvaners aus, der selbst aus Pappbechern köstlich schmeckte. Unser Wanderruderwart Hellmuth Nordwig hatte alles sorgfältig vorbereitet, richtete eine Signal-Chatgruppe ein, wusste, wann und wo die Züge und Busse abfuhren, organisierte die Lunchpakete.

Wir steigerten uns über die drei Tage: von Marktheidenfeld nach Wertheim (22 Kilometer, zwei Schleusen), von Wertheim nach Miltenberg (33 km, 2 Schleusen), von Miltenberg nach Aschaffenburg (37 km, 4 Schleusen).

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Der Main mäandert sich durch die liebliche Mittelgebirgslandschaft Churfrankens, vorbei an hübschen kleinen Orten, Weinbergen, blühenden Kastanien und Burgruinen aus Buntsandstein. Zwischen Wertheim und Freudenberg tauchten unsere Skulls auf Steuerbord in Bayern ein, auf Backbord in Baden-Württemberg - der Main bildet hier die Grenze zwischen den beiden Bundesländern. Mit der Bahn ging es abends immer zurück nach Miltenberg, einer wunderschönen kleinen Fachwerkstadt, wo wir im Hotel Brauerei Keller in der Altstadt übernachteten.

Normalerweise trinke ich am Vormittag keinen Alkohol. Doch am letzten Tag, dem Abreisesonntag, war - nach dem Säubern, Aufriggern und Verräumen der Boote - eine Weinprobe angeboten. Um 10.30 Uhr. Wir waren da nur noch der harte Kern und probierten uns zu siebt durch einige Flaschen lokalen Weines. Sie waren köstlich.

Im ICE, wo ich auf der Rückfahrt schnell eindöste, erschien mir im Traum das Boot von dem Profilbild unserer Signalgruppe "Main im Mai". Es ist ein Detail aus einem Wandgemälde des Surrealisten Edgar Ende - ein Phantasie-Luft-Ruderboot in Gestalt eines mächtigen Vogels, dessen Flügel eindeutig Feder-Skulls sind. Ein gesteuerter Vierfach-Neuner. Und der Frankenwein versetzte uns auf diesen Vierfach-Neuner, wir griffen die Skulls, zogen sie mit ruhigem, aber kräftigem und synchronem Zug durch die Luft und hoben ab.

Und genau so war's. Einfach magisch.

(Fotos: Julia Devlin und Brigitte Pollchristoph)

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