Regattabericht: Elfstedenroeimarathon

von Franz Kastner, DKr

HP 1

Die Herausforderung

12 Ruderer und 4 fleißige Helfer machten sich Anfang Mai auf den Weg in die Niederlande nach Leeuwarden, um sich der Herausforderung des Elfstedenroeimarathons zu stellen: über 210km durch enge Kanäle, Kurven und Brücken, bei Wind und Wetter, Tag und Nacht.

 

Elfsteden

Der Modus

Bei diesem traditionsreichen Rennen wird in einem gesteuerten Doppelzweier als Staffel gerudert. D.h. die jeweiligen Mannschaften bestehen aus mindestens einem 3-er Team pro Boot, d.h. 2 rudern und einer steuert, sowie maximal aus 12 Leuten, die sich beim Rudern und Steuern abwechseln. Um in die Wertung zu kommen, muss die gesamte Strecke mit dem Boot innerhalb von 24 Stunden zurückgelegt werden. Auf der Strecke gibt es mehrere Kontrollen, sogenannte Stempelstellen, die man passieren muss, um in der Wertung zu bleiben. Ferner wird jedes Boot mit einem GPS-Sender versehen, so dass man jederzeit die Position der Boote über das Internet verfolgen kann - vorausgesetzt der Server ist nicht gerade überlastet (was leider häufiger vorkam).

 

Die Logistik

Neben dem Rudern u. Steuern liegt die eigentliche Herausforderung in der Logistik. Peter hatte uns optimal auf die Tour vorbereitet. Im Vorfeld fuhr er die gesamte Stecke mit dem Auto ab und plante alle möglichen Stellen, an denen wir die Besatzung der „Würm“ wechseln konnten – kleine Stege, flache Uferbereiche, aber auch Spundwände und Böschungen dienten hierbei als willkommene Orte. Alle neuralgischen Punkte wurden fotografiert, um dann die Steuerleute entsprechen einzuweisen. Ebenso wurden die 4 Fahrer mit GPS ausgestattet und Daniel programmierte die Wechselstellen bei den einzelnen Fahrzeugen ein (an dieser Stelle noch einmal ein großes „Sorry“ an unsere Fahrerin Dorothea, welche Daniel aufgrund eines Programmierfehlers versehentlich in dunkler Nacht in die Weite des friesländischen Flachlandes schickte). Für die Bootsnavigation hatten wir als zusätzliche Orientierungshilfe eine wasserfeste Karte, die die jeweiligen Streckenabschnitte detailliert beschrieb und sich als unschätzbares Hilfsmittel herausstellte. Um unsere eigenen Leute bei Nacht am Wechselplatz leichter zu finden, wurden der Steuermann sowie der Landdienst mit grün blinkenden Micky Maus Ohren ausgestattet (leider gibt es hiervon keine Bilder...).

 

Übung macht den Meister:

Die Vorbereitung begann zuerst einmal mit unserem Boot, der „Würm“, mit welcher wir an einem trüben Wochenende den Starnberger See umrundeten, das GPS-Gerät ausprobierten und das Auswechseln der Mannschaften an geeigneten Stellen (ohne Bootssteg) übten. Eine Woche später wurden enge Wendemanöver im Hafen und das Durchfahren niedriger Brücken am Badesteg simuliert und trainiert (ja, das ist garnicht so einfach und wir hatten verdammt viel zu lachen!). Dabei wurden auch die Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder deutlich, angefangen von der Gelenkigkeit bis hin zur super schnellen Kommandoansage, welche zwar dem Steuermann als klar und verständlich erschien, von der Mannschaft leider ob des Kommandoschwalls nicht mehr verarbeitet, geschweige denn umgesetzt werden konnte.

HP T

Aufbruch nach Holland:

Es war Mittwochabend, nachdem Andis Mutter uns extra einen Hänger aus Landshut gebracht hatte, als wir die „Würm“ verladen und sicher festzurren konnten. Am nächsten Morgen um 8 Uhr früh ging es dann endlich los und wir machten uns mit Boot und Ulis Zugmaschine auf nach Holland. Der Bootstransport an sich verlief ohne Problem - abgesehen davon, dass wir erst nach ca. 10 Stunden Fahrzeit unser Ziel, den Ruderclub von Leeuwarden, erreichten. Erschöpft suchten wir unsere Weggefährten im Hotel auf und ließen den Abend mit einem gemeinsamen Abendessen ausklingen.

 

Vor Ort:

Während sich Peter um die großen strategischen Entscheidungen kümmerte, so war Wiek organisatorisch der Dreh- u. Angelpunkt. Wenn irgendetwas aus dem Ruder zu laufen schien, so war Wiek sofort zur Stelle. So ist es auch ihm zu verdanken, dass wir den Luxus von 4 Fahrern hatten, nämlich Dorothea und Jan aus München, sowie Wieks Schwester Dieuwer und ihrer Freundin Caroline aus Holland, die sich leichtsinnigerweise für diese Aufgabe hatten überreden lassen. Leichtsinnigerweise deshalb, da wir später erfuhren, dass sie sich das nicht so hart und anstrengend vorgestellt hatten. Wir wissen bis heute nicht, was Wiek ihnen im Vorfeld versprochen hatte...

Der Start des Rennens war für Freitagabend um 20 Uhr angesetzt. Bis es soweit war, wartete noch eine Menge an Arbeit auf uns. Wir organisierten uns in Teams: Einkaufen der Verpflegung, Durchsprache der Navigation, letzte Wechselstellen besichtigen und natürlich das Tunen der „Würm“. Unter Tunen verbergen sich folgende Tätigkeiten:

  • Spritzschutz anbringen gegen hohe Wellen;
  • Beleuchtung an Bug und Heck;
  • die Außenkanten der Ausleger und den Bug mit Nylonseilen vertäuen, um ein Hängenbleiben an Brückenpfeiler zu verhindern;
  • Handlenzpumpe, Schöpfer u. Schwamm installieren;
  • Steuer unten abkleben gegen Blockieren durch Fremdkörper;
  • Schwimmwesten für die Bootsmannschaft im Bugkasten verstauen;

Und dann kam der Moment der Bootsabnahme, die wir so auch noch nie erlebt hatten. Eine groß gewachsene Dame in dunkelblauer Uniform in Begleitung zweier männlicher Kollegen nahm unserem Boot mit prüfendem Blick ins Visier. Wir kamen uns in diesem Moment doch etwas als Exoten vor. Der Höhepunkt war dann die Prüfung der Schwimmwesten, der mindestens gefühlte 10 Minuten dauerte. Wir machten schon Witze, dass solche hightech Schwimmwesten vermutlich dort noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte. Trotz unserer Späße bekamen wir schließlich die Rennzulassung.

Zuvor hatte Peter noch mit jedem Team ein Briefing durchgeführt, angefangen von der Einweisung des jeweiligen Teamfahrers, bis hin zur Erläuterung der einzelnen Streckenabschnitte und deren Besonderheiten und Gefahrenstellen.

HP Start

Team 4 hatte die Aufgabe das Boot beim Ruderclub ins Wasser einzusetzen, zum Startplatz zu rudern und dann an die Startmannschaft Team 1 zu übergeben! Der Start war als fliegender Start angesetzt und begann um 20 Uhr. Innerhalb von nur 20 Minuten starteten 99 Boote in den Wettbewerb.

HP Start2
 

Das Rennen

Mit Startnummer 25 starteten wir, bzw. Team 1 bestehend aus Holger, Uli und Christoph, ins Rennen und übergaben nach ungefähr 11km die Würm in Tergracht an Stefan, Peter und Robert. Ein „Brückenstau“ kurz vor bzw. nach Dokkum kostete uns wertvolle Minuten – eine Engstelle vor der uns Peter bereits im Vorfeld gewarnt hatte, da besagte Brücke zweimal in entgegengesetzter Richtung durchfahren wird. Team 3 (Detlef, André und Hansjörg) durften dies nach dem Wechsel in Dokkum ebenfalls aus bester Position miterleben.

 

Team 4 bestand aus Wiek, Daniel und Franz sowie Wieks Schwester Dieuwer, unserer Fahrerin. Unser erster Einsatz begann auf dem Rückweg von Dokkum in Tergracht. Es war bereits stockdunkel als wir die Würm übernahmen und Franz bekam die Verantwortung als Steuermann. Ein Erlebnisbericht:

Anfangs geht man mit dem Gegner noch sehr vorsichtig um. Wir haben einen Stau vor der Brücke und können die Durchfahrt nicht mit Schwung nehmen. Mit Paddeln und Durchhandeln an der Brückenkonstruktion geht die Fahrt weiter. Die erste Engstelle ist geschafft!

Auch Wiek auf Schlag ist jetzt in Fahrt. Unser Adrenalinspiegel steigt und wir schließen rasch zu den vorderen Booten auf; ich soll überholen, aber da ist kein Platz; jetzt schreit Wiek „Die müssen für die schnelleren Boot Platz machen – schick sie ins Reed!“ Zusätzlich schreit er noch etwas auf Holländisch, was ich nicht verstehe, aber scheinbar die Besatzung der anderen Boote. Nun beginnt eine Aufholjagd; ganze 7 Boote überholen wir, bis wir am nächsten Wechselplatz ankommen. Ganz Euphorisch waren wir nach dieser Etappe!

Unsere Fahrerin Dieuwer erwartete uns schon am Wechselpunkt und versorgte uns mit Getränken und Essen. Nun etwas Relaxen und weiter ging es mit dem Auto bis zum nächsten Abschnitt, bei der Franz dann Schlag fahren durfte. Auch Franz stand nach dem Steuern noch unter Strom und dementsprechend hoch war auch seine Schlagzahl über die gesamte Etappe. Auch Daniel im Bug hielt mit und so waren wir früher am nächsten Wechselpunkt in Sneek als von unseren Kameraden erwartet. Aber oh Schreck, außer unserer guten Seele Dieuwer war da niemand; was war passiert? Hatte das nächste Team den Wechselpunkt verpasst – sollten wir weiterfahren? Aber nein, unsere Ablösung saß im Auto und pennte! Na ja, es war ja noch mitten in der Nacht. Wir, noch voll im Wettkampffieber, hatten dann auch gleich die passenden Kommentare parat wie „Schlafen könnt ihr zuhause…Penner…“. Die so eingeschüchterte Mannschaft war sprachlos, bestieg das Boot und nahm das Rennen an. Erst später kam die Klarstellung, dass sie nicht geschlafen hätten, sondern einfach noch nicht mit unserer Ankunft gerechnet hatten...

HP Wechsel

Trotz der Strapazen und dem vielen Adrenalin war die Stimmung in unserer Truppe super. Ein Erlebnis, das alle Anstrengungen der Vorbereitung und während des Rennens wert war, und uns lange in bester Erinnerung bleiben wird. Wir lieferten uns Duelle mit anderen Booten, holten auf, fielen zurück, wurden überholt und überholten zurück. Waren Anfangs noch Ruderboote unsere Gegner, so legte sich Team 4 später auch mit Hausbooten und Schleppkähnen an (und wir waren erfolgreich!). Wir kämpften mit der Dunkelheit, dem Schilf, Pfosten im Wasser, Regen, Wind und Wellen, die selbst dem Starnberger See alle Ehre gemacht hätten.

 

Anekdoten

Neben den Ereignissen auf dem Wasser sorgten ab und an auch die sprachlichen Herausforderungen zwischen uns und unseren niederländischen Gastgebern für kleine Missverständnisse, über die wir uns köstlich amüsierten. Ein Beispiel: Während Caroline gerne eine Kaffeepause gehabt hätte, kamen doch glatt Antworten wie „ich trinke keinen Kaffee“ oder „ich stinke“; als wir das hörten, mussten wir schallend lachen.

HP Ziel

Geschafft!

Nach 21 Stunden und 27 Minuten hatten wir es endlich geschafft! 210 spannende Kilometer mit zahlreichen Highlights lagen hinter uns und wir gehören nun zum Kreis der „Kreuzchenträger“, einer Auszeichnung, die man bei offiziellen Anlässen trägt (oder zumindest tragen kann :-) Wir waren alle physisch fix und fertig, aber glücklich und zugegebenermaßen etwas stolz es geschafft zu haben!

 

Zahlreiche Bilder sind in unserer Galerie zu sehen (Ergebnisliste).


An alle Helfer und Spender, insbesondere aber an unsere vier Fahrer, ein herzliches DANKE! Ohne Euch wäre dieser Marathon nicht so erfolgreich verlaufen, wie wir ihn erleben durften!