Donau-Wanderfahrt Herbst 2008: Immer im Fluss bleiben ...

von Nordwig, Hellmuth
in Rudern.

Kilometer 2530,8: Schleuse Höchstädt

Die zweite Schleuse seit unserer Abfahrt in Lauingen. Jetzt, nach 13 Kilometern, läuft sie gut, die knallrote "Forelle" vom Passauer Ruderclub. Dessen Kameraden haben den Vierer freundlicherweise in das schwäbische Städtchen transportiert, und nun wollen wir sie ihren Besitzern zurückbringen - doch noch trennen uns 315 Kilometer von der Dreiflüssestadt, und das bedeutet: geschätzte 40 Ruderstunden, vielleicht 25.000 oder 30.000 Schläge. Zeit zum Rechnen haben wir, denn Klaus Hübner aus Düsseldorf hat den Bedienknopf der automatischen Schleuse zu kurz gedrückt, so dass das Wasser nur ganz langsam abfließt. Eine Stunde Wartezeit, bis sich das Tor endlich öffnet - und eine Runde am Abend in Donauwörth für den Rest der Besatzung: Helmut Dobmeier aus Minden, unseren zweiten Gast, Dietrich Kaldewei, der die Fahrt hervorragend geplant und organisiert hat (von uns allen dafür ein dickes Dankeschön!), Horst Schüler und Hellmuth Nordwig vom MRC. Oder waren es zwei Runden, die wir spendiert bekamen?

Kilometer 2476,8: Donauruderclub Neuburg
Ein gedeckter Tisch auf der Sonnenterrasse, welch ein Service! Ohne Landdienst wäre so eine Wanderfahrt nur halb so schön ... Deshalb gleich noch einmal danke: an Jutta Schüler - anfangs unterstützt von Hannelore ... -, die uns mittags immer aufgetischt hat, was das Herz begehrt: eine zünftige Brotzeit, Gemüse, Bier aus silbernen Bechern. Sogar eine Tischdecke hatten sie dabei. Jeden Tag gab es neue kulinarische Überraschungen, immer willkommen nach den anstrengenden Vormittagsstunden. Und jedes Mal vor einer anderen Kulisse. So schön wie hier war es aber wohl kein zweites Mal: Romantisch der Blick auf das barocke Neuburg, dazu die glitzernde, rasch fließende Donau im Sonnenschein. Letzteren hatten wir in dieser Woche nicht allzu häufig, Regen immerhin auch nicht.

Kilometer 2419,5: Kloster Weltenburg

Seit heute haben wir einen Paddelhaken - der einzige vergessene Ausrüstungsgegenstand. Die Ingolstädter haben ihn uns geliehen. Ein ausgesprochen freundlicher Empfang war das gestern, wie bei allen Ruderclubs auf der Strecke. Den MRC kennen viele von der Roseninsel-Regatta. Man merkt überall: Die Vereine sind auf Wanderruderer eingestellt und bieten teilweise sogar Quartier an. - Heute haben wir Bekanntschaft mit den Insassen eines graugrünen Schlauchboots der Bundeswehr gemacht, die uns freundlich, aber unmissverständlich wissen ließen: "Servus, da kennts ned weida!" Eine Pontonbrücke hätten sie hier eingezogen, aber unser "Schiff" würden sie gerne auf den Lkw verladen ... Worauf wir lieber verzichtet haben, zu Gunsten einer Mittagspause auf Baumstämmen. Zu unserer Überraschung war sie dann nach 20 Minuten wieder weg, die Brücke. So stand der Weiterfahrt zu einem der kulturellen Höhepunkte nichts mehr im Weg: dem Kloster Weltenburg, wo sie ein hervorragendes Dunkles brauen. Gerade die richtige Stärkung für den berühmten Donaudurchbruch mit hohen, baumbestandenen Felsen zu beiden Seiten. Ein Genuss für die Ruderer, Präzisionsarbeit für den Steuermann, zumal uns genau an der engsten Stelle ein Ausflugsschiff entgegen kam.

Etwa bei Kilometer 2400: Zwischen Kelheim und Poikam
Der genaue Ort sei lieber verschwiegen, denn heute ist von einem Malheur zu berichten. Die Details dieses Zwischenfalls, der sich anlässlich der morgendlichen Pinkelpause ereignet hat, sind unwichtig - nur soviel sei gesagt: Wer einem anderen Ruderer beim Aussteigen hilft, sollte nicht wesentlich weniger wiegen als dieser ... Ansonsten hatten wir heute mit 32 Kilometern die kürzeste Etappe. Langsam wird es hügeliger, und wir haben jetzt, nach der Einmündung des Main-Donau-Kanals, auch die ersten Begegnungen mit der Berufsschifffahrt. Unsere Kameraden von Rhein und Weser weihen uns in die Regeln ein: Nicht einfach rechts fahren, sondern grundsätzlich in der Innenkurve. Denn der Frachter bleibt immer im Strom und kann auf uns keine Rücksicht nehmen. Schon am frühen Nachmittag erreichen wir Regensburg - hier sind zwei offensichtlich nicht gerade arme Ruderclubs direkt benachbart und teilen sich ein neues Gebäude. Unser Hotel in der Innenstadt ist dieses Mal funktionell und lässt jeden Charme vermissen. Das war schon anders: Einen gemütlicher Familienbetrieb in Donauwörth, ein altes, liebevoll renoviertes Haus direkt am Marktplatz in Ingolstadt und ein Landhotel mit Himmelbetten in Kelheim haben wir schon mit unseren verschwitzten Ruderklamotten heimgesucht. Und in Straubing warten sogar Aktbilder im Zimmer auf uns ...

Kilometer 2327,7: Schleuse Straubing
Schon mal etwas von Fehlkilometern gehört? Hier gibt es das: Vor Jahrzehnten wurde die Donau bei Straubing begradigt und dadurch ein gutes Stück kürzer. An der Kilometermarkierung hat sich aber nichts geändert - acht Kilometer fehlen also einfach. Überhaupt ist die Donau ungewöhnlich, was die Streckenangaben angeht: Sie ist wohl der einzige Fluss, bei dem die Mündung der Kilometer Null ist und nicht die Quelle. So wissen wir immerhin stets, wie weit es noch bis zum Schwarzen Meer ist ... Dass man dorthin im Prinzip auch rudern kann, ist plausibel - dass es aber tatsächlich Menschen gibt, die so etwas auf sich nehmen, sollten wir am folgenden Tag erfahren: Ein Ehepaar aus Deggendorf hat für dieses Vorhaben drei Jahresurlaube geopfert. Das Rudern sei nicht so schlimm gewesen, wie die 36-stündige Busfahrt zurück von Rumänien, meinten sie - was uns denn doch staunen lässt. Denn unsere Sitzflächen könnten langsam durchaus Erholung vertragen.

Kilometer 2285,0: Deggendorfer Ruderverein von 1876
Hinter uns liegt einer der anstrengendsten Tage, denn mangels Anlegemöglichkeit sind wir kurzerhand 43 Kilometer ohne große Pausen durchgefahren. Also mal eben die Strecke einer Starnberger-See-Umrundung. Zugleich war dieser Tag wohl der landschaftlich schönste: die ursprünglichen Auenwälder in der Gegend der Isarmündung, der naturbelassene Flusslauf mit Sandbänken und vielen Kurven (was Schiffsbegegnungen nicht zulässt; deshalb die umstrittenen Ausbaupläne), und endlich wieder ein paar Stunden milde Sonne. Da bekommen die Ufer gleich Farbe - die ganze Palette des Herbstes, von Gelbgrün bis Braun, begleitet uns. In Deggendorf dann die lang ersehnte Brotzeit, und wieder einmal ein ausgesprochen freundlicher Empfang in einem ganz neuen Bootshaus. Nach einem der vielen verheerenden Hochwasser gab es Geld für dieses Gebäude. Auf so etwas können wir in Starnberg nicht hoffen ...

Kilometer 2228,0: Passau
Darauf haben wir gewartet: Der Zieleinlauf vor der Kulisse Passaus ist einer der krönenden Eindrücke dieser Fahrt. Heute morgen sah es noch nicht danach aus, als wäre uns dieser Höhepunkt vergönnt: Dichter Nebel in Deggendorf, das andere Ufer war nicht zu sehen, und aus diesem Nichts heraus tauchte hin und wieder lautlos die bedrohliche Kulisse eines Frachters auf. Erst mit fast zwei Stunden Verspätung konnten wir es wagen, abzulegen. Wieder ein landschaftlich sehr schöner, naturnah ausgebauter Abschnitt der Donau. Die starke Strömung half uns heute deutlich, so dass wir die Strecke trotz einer gemütlichen Nachmittagspause bei den ganz besonders netten Vilshofenern gut zurücklegen konnten. Die Passauer warteten schon mit dem Hänger auf uns, so dass nicht auch noch fünf Kilometer gegen die starke Strömung des Inns rudern mussten. Auch dafür vielen Dank! Ach ja, und der Abend brachte einen weiteren Höhepunkt: das Ergebnis der Landtagswahl ...